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Ein tragischer Sachverhalt

Die Mutter hatte drei Kinder, zwei Töchter und einen Sohn. Die Töchter waren schon lange aus dem Haus und haben ihr eigenes Leben mit ihren Familien aufgebaut. Nur der Sohn scheiterte immer wieder beruflich und war immer wieder krank. Die Mutter sah sich verantwortlich für ihren Sohn und unterstützte ihn finanziell, wenn es erforderlich war, was öfters vorkam.

Eines Tages stand der Sohn vor der Haustür der Mutter und erklärte, dass er wieder zu Hause einziehen möchte. Er komme alleine einfach nicht zu Recht. Die Mutter folgte ihrem Instinkt und nahm den Sohn bei sich zu Hause auf.

Dies war der Mutter auch genehm, denn sie spürte das Alter und war froh, dass der Sohn sich im Haushalt nützlich machte und auch einkaufen ging. Damit der Sohn sie auch rechtlich vertreten konnte, erteilt sie ihm eine Vorsorge- und eine Bankvollmacht. Die Unterschrift unter der Vorsorgevollmacht wurde vor einem Urkundsbeamten der Gemeinde geleistet und beglaubigt. Zwei Wochen danach fiel die Mutter so unglücklich die Treppen im Haus herunter, dass sie einen Schädel-Basis-Bruch erlitt und ins Koma fiel. Die Mutter war fortan ein Pflegefall und wurde in ein Heim untergebracht, welches auf sog. Wach-Koma-Patienten spezialisiert war.

Der Sohn erkannte, dass die Mutter auf Grund ihrer Verletzung nicht wieder zurückkommen wird. Er selbst fühlte sich in dem Haus der Mutter alleine und wollte dort auch nicht mehr bleiben.

Er verkaufte das Haus der Mutter und ließ den Verkaufspreis von 500.000 € auf das Konto der Mutter überweisen, welches wiederum ein Guthaben von 400.000 € hatte. Eine Woche später transferierte er den Betrag von 900.000 € auf sein Konto. Einen Tag später verstarb die Mutter.

Die Reaktion der Schwestern

Die Mutter hatte kein Testament verfasst, weshalb die gesetzliche Erbfolge eintrat, wonach alle 3 Kinder Erben zu je 1/3 sind.

Nach der Beerdigung der Mutter kamen die Geschwister zusammen und der Bruder berichtete davon, dass die Mutter wollte, dass er das Haus verkauft und er das gesamte Guthaben auf dem Konto der Mutter auf sich übertragen soll. Die Schwestern waren außer sich, wurden sie doch Erbe von Nichts. Am Tag darauf kam eine der Schwestern, Sabine Hornung (SH) zu Rechtsanwalt Dr. Martin Niegisch (MN), um sich anwaltlich beraten zu lassen.

SH: Wie kann es sein, dass ich Erbin zu 1/3 von Nichts geworden bin und wie konnte mein Bruder das Haus verkaufen?

MN: Ihre Mutter hat Ihrem Bruder sowohl eine Vorsorgevollmacht als auch eine Bankvollmacht erteilt. Die Unterschrift Ihrer Mutter unter der Vorsorgevollmacht war von einem Urkundsbeamten der Gemeinde beglaubigt worden. So konnte Ihr Bruder den Verkauf des Hauses beurkunden sowie den Verkaufspreis auf das Konto Ihrer Mutter gutschreiben lassen, denn die Vollmacht stellt eine öffentliche Urkunde da.

Die Vorsorgevollmacht war ihm von Ihrer Mutter unbeschränkt erteilt worden, so dass er auch zum Verkauf des Hauses befähigt war. Mit der Hilfe der unbeschränkten Vollmacht konnte er den Verkauf auch ohne bzw. gegen den Willen Ihrer Mutter durchführen. Zum Zeitpunkt des Verkaufs lag Ihre Mutter im Koma und war geschäftsunfähig, so dass sie ihren Willen nicht mehr äußern konnte. Ihr Bruder könnte behaupten, dass Ihre Mutter immer das Haus verkaufen wollte, wenn sie einmal in ein Heim muss. Er könnte diese Behauptung nehmen, um den mutmaßlichen Willen Ihrer Mutter darzustellen.

Der Verkauf des Hauses durch Ihren Bruder war wirksam zustande gekommen.

SH: Ist die Schenkung wirksam und was sind dann meine Rechte als Erbin?

MN: Es ist zu prüfen, ob die Schenkung Ihrer Mutter, vertreten durch Ihren Bruder, an ihn wirksam ist. Im Text der Vorsorgevollmacht muss zu lesen sein, dass die Vorsorgevollmacht ihn vom Verbot befreit hat, Rechtsgeschäfte im Namen Ihrer Mutter und sich selbst zu tätigen. In der Vorsorgevollmacht ist zu lesen, dass das Verbot der Selbstkontrahierung nach § 181 BGB ausgeschlossen ist. Von daher konnte sich Ihr Bruder bei der Schenkung im Namen Ihrer Mutter an sich selbst wirksam vertreten.

Damit wäre der Nachlass auf Grund der Schenkung 0,00 € wert, an dem Sie mit 1/3 als Miterbin teilnehmen, also auch 0,00 € beträgt. Als Erbin und Abkömmling der Erblasserin haben Sie aber auch noch einen Pflichtteilsanspruch, der sich am Wert der Schenkung zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin bemisst. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte Ihres gesetzlichen Erbteils, also 1/6. Sie würden also über an dem Wert der Schenkung von 900.000 € mit 150.000 € über Ihren Pflichtteil partizipieren.

SH: Kann mein Bruder sich einfach so, 900.000 € überweisen?

MN: Banktechnisch ist das keine Problem, aber eigentlich muss jeder Schenkungsvertrag notariell beurkundet werden (§§ 125, 518 Abs. 1 BGB), damit das Schenkungsversprechen wirksam ist. Hier fehlt aber die Beurkundung, so dass zunächst angenommen werden kann, dass der Schenkungsvertrag nichtig ist. Es ist aber weiter zu prüfen, ob die formlose Schenkung nicht durch den Vollzug der Schenkung, sprich durch die Überweisung des Geldbetrages von 900.000 € auf das Konto Ihres Bruders geheilt werden konnte (§ 518 Abs. 2 BGB). Dies ist mit dem Blick auf die unbeschränkte Vollmacht möglich, so dass eine Heilung eintreten konnte.

Dies wäre dann nicht ohne weiteres annehmbar, wenn Ihr Bruder nur eine Bankvollmacht vorgelegen hätte. Eine Bankvollmacht sagt nichts darüber aus, ob er berechtigt war, auch Schenkungen vornehmen zu können. Die Bankvollmacht berechtigt nur zur Verfügung über das Geld. Er hätte dann aber die Beweislast zu tragen (BGHZ 169, 377 – 383), dass Ihre Mutter ihm die Schenkung der 900.000 € zugesagt hatte, was für ihn schwierig sein dürfte, da Ihre Mutter vor ihrem Tod seit Monaten im Koma lag.

Der Fall mit Ihrem Bruder weist aber insoweit eine Besonderheit aus, als dass er nicht nur einen Teil des Vermögens Ihrer Mutter sich hat überweisen lassen, sondern ihr gesamtes Vermögen. In diesem Fall bedurfte die Schenkung unbedingt der notariellen Form nach § 311b Abs. 3 BGB und kann nicht durch die Erfüllung der Schenkung nach § 518 Abs. 2 BGB geheilt werden. Die Vorschrift des § 311b Abs. 3 BGB schützt den Schenker vor übereilten und für ihn gefährlichen Übertragung seines gesamten Vermögens, also nicht nur einzelner Gegenstände, außer diese machen das gesamte Vermögen aus. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass bei 90 % des Vermögens des Schenkers es sich um das gesamte Vermögen handelt.

Sie haben also Glück gehabt, dass Ihr Bruder sich das ganze Vermögen Ihrer Mutter hat schenken lassen und es somit nicht zu einer Heilung der Schenkung durch Vollzug kommen konnte. Die Schenkung ist unwirksam und Sie haben gegen Ihren Bruder einen Anspruch auf Rückübertragung der 900.000 € an die Erbengemeinschaft aus dem Bereicherungsrecht. Ihrem Bruder ist eine Frist zur Rückzahlung zu setzen und im Falle der Nichtzahlung beim zuständigen Gericht an seinem Wohnsitz zu verklagen.