Wer kennt das nicht. Das eigene Kind entwickelt sich nicht so wie gedacht. Sei es, dass das Verständnis zwischen den Eltern und dem Kind nicht mehr aufgebaut werden kann, weil das gegenseitige Vertrauen verbraucht ist oder eine vernünftige Kommunikation ist nicht mehr möglich. Nicht selten, wird das durch dritte Personen, wie Ehegatte, Lebenspartner, Freunde oder Freundeskreis verstärkt oder sogar verursacht.
Jedenfalls entsteht bei den Eltern der Gedanke, den abtrünnigen Abkömmling im Testament übergehen zu wollen. Das ist selbstverständlich möglich, findet aber seine Grenze beim Pflichtteilsrecht, dass dem Abkömmling zusteht.
Der Pflichtteil, der sich abstrakt über die Bestimmung der gesetzlichen Erbfolge berechnen lässt und die Hälfte des gesetzlichen Erbteils beträgt, stellt keine Teilhabe am Nachlass dar, sondern ist lediglich ein Anspruch in Geld, der sich der Höhe nach, nach dem Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers berechnet. Er ist von den Erben zu erfüllen.
Die Erfüllung eines Pflichtteilsanspruches kann die Erben vor erhebliche Probleme stellen, wenn der Nachlass nicht über die erforderliche Liquidität verfügt. Dann ist nicht selten der Nachlass zu zerschlagen, so dass das materielle Familienvermögen verloren geht.
Um dieses zu Lebzeiten zu verhindern, versuchen die Eltern, aber auch die Geschwister, die Erben werden sollen, Ihre unleidigen Abkömmlinge bzw. Geschwister mit einem Pflichtteilsverzicht gegen die Zahlung einer Geldsumme zu ködern.
Gelingt ein solcher Pflichtteilsverzicht unter Geschwistern, der notariell zu beurkunden ist, stellt sich die Frage, wie solche Zahlungen von den Geschwistern an den Verzichtenden vom Finanzamt beurteilt werden. Denn auch solche Zahlungen unterliegen der Erbschafts- und Schenkungsteuer.
Zu dieser Problematik hat der Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 10.05.2017, Az. II R, ein Urteil mit weitreichender Bedeutung verkündet, weil es die bisherige Rechtsprechung verändert.
Dort hat der Kläger durch einen notariell beurkundeten Erbschaftsvertrag gegenüber seinen drei Brüdern für den Fall, dass er durch letztwillige Verfügung der Eltern von der Erbfolge ausgeschlossen sein sollte, auf die Geltendmachung seines Pflichtteilsanspruchs einschließlich etwaiger Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen eine von den Brüdern jeweils zu zahlende Abfindung in Höhe von € 150.000 verzichtet.
Bis zu diesem Urteil behandelte der BFH solche Abfindungen der Geschwister so, als ob das verzichtende Kind das Geld von den Eltern erhalten hätte, mit der Folge, dass die Finanzämter den hohen Freibetrag von € 400.000 für Kinder berücksichtigten. Einen den Freibetrag übersteigende Zahlung wurde außerdem der Steuerklasse I unterworfen und in der untersten Progressionsstufe mit zunächst 7 % belastet.
Nunmehr nimmt der BFH (Urteil vom 10.05.2017, Az. II R) bei solchen Abfindungen unter Geschwistern auf den Pflichtteilsverzicht an, dass es sich um eine Geldschenkung zwischen Geschwistern handelt, mit der Folge, dass nur ein Freibetrag von € 20.000 anzunehmen ist und der den Freibetrag übersteigende Betrag der Steuerklasse II und dem hohen Eingangssteuersatz von 15 % unterfällt.
Die neue Rechtsprechung des BFH zu von Geschwistern gezahlten Abfindungen gegen Pflichtteilsverzicht führt zu einer erheblichen steuerlichen Mehrbelastung.
Vereinbarungen über Pflichtteilsverzichte sollten daher unbedingt vorab einer anwaltlichen und steuerlichen Prüfung unterzogen werden.
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