Wann und was erbt eigentlich der Staat?
Erbe wird jemand, der von einem Erblasser als sein Rechtsnachfolger entweder alleine oder in Erbengemeinschaft eingesetzt wurde oder der Erblasser hat kein Testament hinterlassen und es kommt die gesetzliche Erbfolge zur Geltung.
Schlägt ein Erbe, der sich in einer Erbengemeinschaft befunden hat aus, geht sein Erbteil an seine Abkömmlinge, soweit er welche hat. Ohne Abkömmlinge wächst sein Erbteil den Eltern zu. Sind diese auch verstorben geht der Erbteil an die Abkömmlinge der Eltern zu gleichen Teilen. Vom System her gesehen, sucht das Erbrecht immer den nächsten Verwandten, auf den der Erbteil oder das Erbe übergehen kann. Die Ausschlagung ist aber nur innerhalb von 6 Wochen nach der Kenntnis vom Tod des Erblassers und der letztwilligen Verfügung, eröffnet und mitgeteilt durch das Nachlassgericht möglich. Liegt kein Testament vor, beginnt die Frist bereits mit der Kenntnis vom Tod des Erblassers.
Die Gründe für eine Ausschlagung mögen vielfältig sein, aber der regelmäßige Grund ist, dass der Nachlass des Erblassers überschuldet ist. Um nicht die Schulden des Erblassers zu erben und von dessen Gläubigern in Anspruch genommen zu werden, schlägt der Erbe und auch die ihm nachkommenden Erben aus.
Wenn es dann keine Verwandten oder den Ehegatten mehr gibt, stellt sich die Frage, wer am Ende Erbe des Nachlasses wird.
Diese Konstellation kommt auch vor, wenn der Erblasser keine Abkömmlinge und auf Grund seines hohen Alters auch keine zu ermittelnde Verwandten mehr hatte.
In diesem Fall sagt das Gesetz in § 1936 BGB: Ist zur Zeit des Erbfalls kein Verwandter, Ehegatte oder Lebenspartner des Erblassers vorhanden, erbt das Land, in dem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz oder letzten Aufenthalt hatte, ansonsten erbt der Bund.
Diese Regelung gilt mittlerweile, nach dem Inkrafttreten der EU-Erbrechtsverordnung am 17.08.2015, auch für alle EU-Bürger, die ihren letzten Aufenthalt in Deutschland hatten (Art. 21 Abs. 1 EU-ErbVO).
Während der Erbe den Anfall der Erbschaft ausschlagen kann, ist dies dem Fiskus nach § 1942 BGB verwehrt. Auch der Verzicht ist dem Staat gemäß § 2346 BGB verwehrt. Dies soll der Staat nicht unternehmen können, damit herrenlose Nachlässe vermieden werden und eine Ordnung für Nachlässe geschafft werden, um die sich niemand mehr kümmert.
Damit nicht eine lange Zeit vergeht, bis feststeht, dass der Staat Erbe eines Nachlasses geworden ist, wird im § 1964 BGB die Vermutung ausgesprochen, dass wenn nicht innerhalb einer vom Nachlassgericht gesetzten angemessenen Frist, ein Erbe für den Nachlass gefunden werden konnte, der Staat Erbe ist. Dies stellt das Nachlassgericht mittels eines Beschlusses fest.
Ist der Nachlass werthaltig, muss eine öffentliche Aufforderung zur Anmeldung von Erbrechten dem Beschluss zu Gunsten des Staates vorausgehen.
Je nach der Stellung des nicht zu ermittelnden Erben, kann der Fiskus Allein-, Mit-, Vor- oder Nacherbe sein. Er tritt in alle Verträge zu Gunsten Dritter ein, die den nicht zu ermittelnden Erben als Begünstigten vorsahen, z.B. in die Lebensversicherungen des nicht zu ermittelnden Erben.
Der Staat hat aber wie jeder Erbe auch, die Möglichkeit seine Haftung für Nachlassverbindlichkeiten auf die Höhe seines Anteils an dem Erbe gemäß §§ 1975, 1990 BGB zu beschränken. Ansonsten müsste für die Begleichung von Nachlassschulden Steuergelder eingesetzt werden, ansonsten würden Steuergelder dazu verwandt werden, um einzelne Interessen zu befriedigen. Genauso kann der Staat im Falle der Nachlassüberschuldung einen Antrag auf Eröffnung eins Nachlassinsolvenzverfahrens oder einen Antrag auf Nachlassverwaltung oder die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses nach den §§ 1990, 1991 BGB erheben.
Für den Staat sind die erlangten Erbschaften in der Regel nicht gewinnbringend, da die Abwicklung des Nachlasses meist aufwendig ist. Die folgenden Beispiele lassen sich finden:
- Das Land Baden-Württemberg erbt ein altes Sägewerk, bei dem die Eigentümer es nicht so genau mit den Umweltvorschriften genommen haben, so dass der Boden des Sägewerks mit Schwermetallen und Chemikalien verseucht ist. Allein die Überwachung des Grundwassers beim Sägewerk kostet das Land jährlich € 30.000. Die Werkshalle war so instabil geworden, dass sie abgerissen werden musste. Die Abrissarbeiten und die Entsorgung des Abrissgutes kostete wiederum mehr als € 100.000, was vom Steuerzahler aufzubringen ist. Aber es ist besser, dass Land kümmert sich um einen geordneten Abriss und Sanierung des Bodens, als dass es zu einer Verschmutzung des Grundwasser kommt, was zu einer nachhaltigen Gefährdung von Leib und Leben der Bevölkerung hätte führen können.
- Das Land Niedersachsen musste sich als Erbe um ein einsturzgefährdetes Haus kümmern. In dem Haus wohnten die blinde Mutter des Verstorbenen und dessen alkoholabhängiger Bruder. Das Land musste für die Mutter und den Bruder eine geeignete Wohnstätte finden und das Haus abreißen lassen. Der so frei gewordene Bauplatz reichte bei weitem nicht aus, um die Kosten der Abwicklung des Nachlasses zu tragen.
Die Nachlassabteilung der Länder und des Bundes sind mit hochspezialisierten Beamten besetzt, die über zahlreiche Verbindungen verfügen, um die Nachlässe ordnungsgemäß zu verwalten und abzuwickeln. Häufig sind Sachverständige für das Bauwesen, für Kunstwerke oder Veterinäre gefragt, wenn Tiere im Nachlass sind.
Aber nicht immer müssen die vom Land oder Staat geerbten Nachlässe wertlos sein. In Hannover starb eine alte und verwahrloste. In der Nachbarschaft war bekannt, dass sie als arm galt. Alle auffindbaren Erben schlugen den Anfall des Erbes aus. Bei der Durchsuchung der Wohnung der Verstorbenen fanden die staatlichen Nachlassverwalter Geldumschläge, in denen sich € 133.000 befanden. Beim Bankvermögen wurden mehrere Konten und Sparbücher entdeckt, die einen Wert von mehr als € 1,2 Mio. auswiesen.
Die Zahlen, dass Nachlässe an das Land oder den Staat fallen, steigen seit den letzten Jahren. Der Grund wird darin gesehen, dass die Bevölkerung in Deutschland immer älter wird und der Anteil der Älteren, die keine Abkömmlinge haben.
Um zu vermeiden, dass Nachlässe an das Land oder den Bund gehen, muss der Mensch sich bewusst sein, dass er eine Verantwortung dafür hat, was mit seinem Nachlass nach seinem Tode geschieht. Er sollte sich deshalb Gedanken machen, eine letztwillige Verfügung zu verfassen, die möglichst eindeutig und umfassend formuliert ist.
Ansprechpartner insoweit sind die Fachanwälte für Erbrecht und die Notare, die erwartungsgemäß Formulierungsvorschläge machen werden.
Mannheim, den. 10. Mai 2018 Gez. MN